Aus dem Print-Magazin

Schonend und stressfrei

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Schonend und stressfrei

Das Kopfüberfangen von Hühnern vor dem Transport zum Schlachthof verursacht Schmerzen und Leiden. Wir berichteten darüber in Ausgabe 01/2024. Doch es geht auch anders, wie ein Interview mit Madelaine Looije, Tierhaltungsingenieurin sowie seit 2015 Vollzeitinspektorin, Beraterin und Trainerin bei Eyes on Animals, zeigt.

Am 9. Juni 2024 wurden knapp 3.000 Legehennen in einem durch das Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes (TSL) zertifizierten Betrieb ausgestallt. Die Ausstallung mittels schonender aufrechter Fangmethode erfolgte durch eine professionelle Fangkolonne, als Beraterinnen des Tierschutzlabels waren die beiden Tierärztinnen Nicole Neuhaus und Ana Zillmann dabei. Eingewiesen wurde die Fangkolonne durch Madelaine Looije von der niederländischen Tierschutzorganisation Eyes on Animals (EoA). „Die Fangkolonne wirkte sehr routiniert und ist schonend mit den Tieren umgegangen“, so das positive Fazit von Neuhaus. Zudem habe das vorhandene Haltungssystem Freilandstall mit Bodenhaltung das Fangen erleichtert, eine aufrechte Ausstallung in einem Volierensystem berge zusätzliche Herausforderungen. Neben der Fangmethode und der Kompetenz der Fangkolonne seien weitere Rahmenbedingungen wie entsprechende Transportboxen und Dunkelheit für ein schonendes und stressfreies Ausstallen essenziell, so Neuhaus.


„Der richtige Weg“

Madelaine Looije arbeitet seit 2015 als Vollzeitinspektorin, Beraterin und Trainerin bei Eyes on Animals (EoA). Die Tierhaltungsingenieurin hat langjährige Erfahrung in der Arbeit mit sogenannten Nutztieren und Branchenexpert*innen zur Verbesserung der Tierschutzbedingungen während des Transports und der Schlachtung. Sie leitet das Projekt zum aufrechten Fangen in den Niederlanden, bietet Schulungen für Fangunternehmen an und hat die aufrechte Fangmethode in andere Länder eingeführt, darunter Großbritannien, Belgien und zuletzt Deutschland und die Vereinigten Staaten.

Das Interview führte Nicole Neuhaus

Frau Looije, wie ist die aktuelle Situation beim Thema „aufrechtes Fangen“ in den Niederlanden?

Im November 2023 hat das Obergericht entschieden, dass das Fangen von Geflügel an den Beinen gegen die Verordnung Nr. 1/2005 des Europäischen Rates verstößt. Seither muss unsere zuständige Behörde, die Nederlandse Voedselen Warenautoriteit (NVWA), diese Verordnung durchsetzen. Darüber hinaus kam eine kürzlich veröffentlichte bahnbrechende Studie der Universität Wageningen zu dem Ergebnis, dass das aufrechte Fangen Verletzungen im Vergleich zu den Standardmethoden des Fangens an den Beinen, des maschinellen Fangens oder des Verladens aus einem Patio-System erheblich reduziert.

Welche sind die Probleme bei konventionellen Fangmethoden aus Sicht von EoA?

Die derzeitigen Methoden zum Fangen und Verladen von Hennen und Masthähnchen – Greifen, Anheben und Werfen an den Beinen kopfüber in Kisten und Container – verursachen erheblichen Stress. Wenn Vögel an den Beinen gepackt und kopfüber gehalten werden, geraten sie in Panik und versuchen zu fliehen, heben ihre Köpfe, schreien und schlagen heftig mit den Flügeln. Dieser Stress wirkt sich auf die gesamte Herde aus und führt zu Panik. Darüber hinaus kann die herkömmliche Fangmethode zu schweren Verletzungen führen, etwa Blutergüsse und gebrochene Beine, Flügel und Brüste.

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Und wo liegen die Vorteile des aufrechten Fangens?

Als wir erstmals die aufrechte Fangmethode mit Pionier-Geflügelzüchter*innen wie Kipster und Demeter ausprobierten, bemerkten wir sofort, dass die Hühner viel ruhiger waren, da sie ihre physiologische Körperposition beibehalten konnten. Das hat sowohl uns als auch die Landwirtinnen und Landwirte überzeugt, dass das aufrechte Fangen der richtige Weg ist. Bei Masthähnchen, die oft an schmerzhaften Beinverformungen leiden, hilft das aufrechte Halten dabei, zusätzliche Schmerzen zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Wenn Hühner gefangen werden müssen, muss dies sanft und respektvoll geschehen. Sie an einem Bein zu packen, kopfüber zu halten und mehrere gleichzeitig in Kisten oder Container zu werfen, ist inakzeptabel und muss so schnell wie möglich abgeschafft werden.

Können Sie die Methode näher erläutern? Was ist für EoA wichtig?

Für das aufrechte Fangen ist es unerlässlich, die Tiere vorsichtig zu behandeln und sie behutsam in Kisten oder Container zu setzen, sodass ihre Füße den Boden berühren, bevor sie losgelassen werden. Die Fänger*innen sollten Lärm und plötzliche Bewegungen vermeiden und sich den Hühnern vorsichtig nähern. Fänger*innen, die es eilig haben und hastig arbeiten, erhöhen den Stressfaktor für die Tiere. Das aufrechte Fangen dauert etwas länger als das Fangen an den Beinen, da nur ein oder maximal zwei Vögel gleichzeitig gefangen werden können, anstatt drei bis fünf kopfüber an einem Bein. Jedoch wird dadurch sichergestellt, dass jedes einzelne Huhn mit größerer Sorgfalt behandelt wird. Außerdem sollte das Fangen der Tiere im Dunkeln erfolgen, wenn sie schlafen, da dies den Stress minimiert. Wir glauben auch, dass eine entsprechende Ausbildung der Hühnerfänger*innen in Theorie und Praxis unerlässlich ist. Nach unseren Erfahrungen ist es eine Herausforderung, zu verhindern, dass Fänger*innen „Mitgefühlsmüdigkeit“ entwickeln und gegenüber dem Leiden der Vögel unempfindlich werden.

Was muss sich noch verbessern?

Die derzeitigen Haltungssysteme für Legehennen erschweren das einfache Fangen und Verladen. Einige Volierensysteme sind sehr hoch, sodass die Fänger*innen klettern oder kriechen müssen, was ihre Arbeit extrem schwierig und anstrengend macht. Unternehmen, die Volierensysteme entwerfen, müssten effektive Fang- und Verladelösungen priorisieren. Während die Landwirtinnen und Landwirte, mit denen wir zusammenarbeiten, bereits Anpassungen an ihren Ställen vorgenommen haben, um das Wohl der Tiere zu verbessern und die Arbeit der Fänger*innen zu erleichtern, müssten größere Unternehmen wie Big Dutchman, Vencomatic und Jansen mit uns zusammenarbeiten und Maßnahmen ergreifen. Glücklicherweise setzen die niederländischen Behörden nun bessere Fang- und Verladepraktiken durch. Fangverletzungen werden überwacht, wenn die Vögel im Schlachthof ankommen. Wenn mehr als ein Prozent der Herde schwere Verletzungen aufweist, werden die Landwirtinnen und Landwirte sowie das Fangunternehmen mit einer Geldstrafe belegt. Diese Durchse tzung hat die fangbedingten Verletzungen erheblich reduziert. Wir glauben, dass andere Länder wie Deutschland und Belgien diese effektive Durchsetzungsstrategie übernehmen sollten.

Weiterführende Informationen

  • Erfahren Sie mehr über das Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes.
    tierschutzlabel.info