„Von warmen Worten wird kein Tier gesund und satt“

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„Von warmen Worten wird kein Tier gesund und satt“

Anna-Lena Busch kennt den Tierschutz von der Pike auf. Angefangen hat alles mit einem Praktikum im Tierheim Itzehoe, Schleswig-Holstein, gefolgt von einer Ausbildung zur Tierpflegerin und der Wahl zur ersten Jugendländerratssprecherin im Deutschen Tierschutzbund. Nun ist die 35-Jährige seit April 1. Vorsitzende des Deutscher Tierschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Frau Busch, nach Ihrer Ausbildung zur Tierpflegerin und anschließend zur Tierpflegemeisterin übernahmen Sie 2015 mit nur 26 Jahren die Leitung des Tierheims Mainz. Zuvor, im Jahr 2010, wurden Sie bereits zur ersten Jugendländerratssprecherin im Deutschen Tierschutzbund ernannt. Nun sind Sie frisch gewählte Vorsitzende des Deutscher Tierschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz. Was macht Sie so zielstrebig?

Meine Liebe zu den Tieren hat schon sehr früh begonnen und ich habe mich bereits vor dem Abitur ehrenamtlich im Tierheim Itzehoe engagiert. Nach meiner Ausbildung habe ich gemerkt, dass ich zwar den Tieren vor Ort helfen kann, aber dass ich noch mehr bewirken möchte. Tiere haben keine Stimme, die in unserer Gesellschaft Gehör findet, daher wollte ich versuchen, eine Stimme für die Tiere zu sein und mich für sie einsetzen. Außerdem wurde ich von Anfang an vom Bundesverband und vielen Mitgliedern unterstützt, indem mir Hilfe angeboten und Freiräume ermöglicht wurden, um mich einzubringen. Das familiäre und freundschaftliche Umfeld im Deutschen Tierschutzbund hat mich immer weiter angespornt, mich noch mehr für die Tiere, die Jugend und die Tierheime einzusetzen.

Als erste Jugendländerratssprecherin im Deutschen Tierschutzbund waren Sie bis Anfang dieses Jahres in der Tierschutzjugend aktiv. Welche Themen und Projekte sind Ihnen in diesem Amt besonders wichtig gewesen? Und auf was sind Sie stolz?

Durch unsere steten Bemühungen wurde der Stellenwert der Jugendarbeit im Deutschen Tierschutzbund erkannt – die Jugendlichen sind die Botschafter*innen unserer Visionen und der Tierschutzgedanke kann dadurch viel stärker in unserer Gesellschaft verankert werden. Zu den größten und wichtigsten Projekten und Meilensteinen zählen zum Beispiel die gestiegene Zahl an Mitarbeiter*innen für den Jugendtierschutz in der Bundesgeschäftsstelle, sowie das Ausbildungskonzept und die praktische Umsetzung zur*zum Tierschutzlehrer*in – eine Weiterbildung, die sich an Jugendbetreuer*innen, Lehrkräfte und Interessierte wendet, die Tierschutzbildung lernen und später zielgruppengerecht lehren möchten. Weitere Erfolge sind die Integration eines kooptierten Mitglieds im Bundesvorstand für die Jugend, die deutschlandweite Satzungsänderung zu Gunsten der aktiven Einbindung der Jugend in den Vereinen und das bereits prämierte und von mir selbst entwickelte Hundediplom Junior für Schulen und Jugendgruppen.

Was hat es genau damit auf sich?

Das Hundediplom Junior ist ein Angebot für Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Altersklassen und dient ihnen als Anleitung, um sich Wissen für den richtigen Umgang mit Hunden anzueignen. In Tierheimen lernen sie dann in einem Kursus, wie sie ihren Hund besser verstehen und Alltagssituationen mit ihm meistern. Am Ende erhalten die jungen Teilnehmer*innen auch eine Urkunde. Gefördert wird das Projekt von dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten. Mittlerweile bieten aber auch zahlreiche Tierschutzvereine über Rheinland-Pfalz hinaus das Hundediplom Junior an und auch von Schulen haben wir dazu immer wieder Anfragen erhalten.

„Tierschutzjugendarbeit zahlt sich aus!“

– Anna-Lena Busch

Warum ist es generell so wichtig, die Jugend für den Tierschutz zu begeistern?

Aus zweierlei Gründen ist der Jugendtierschutz so wichtig. Zunächst lernen die Kinder früh den richtigen Umgang mit Tieren und können diesen weitertragen. Der Tierschutzgedanke wird früh vorgelebt und wird so ein Teil ihres Alltags. Außerdem übernehmen die Kinder und Jugendlichen aus Jugendgruppen später verantwortungsvolle Positionen in Vorständen und wichtige Aufgaben in Vereinen und Gremien. Tierschutzjugendarbeit zahlt sich aus!

Was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, in den Tierschutz zu gehen?

Meine ältere Schwester Julia hat ein Schüler*innenpraktikum in einem Tierheim absolviert, und ich war von ihren Berichten begeistert und auch etwas neidisch – wie kleine Schwestern so sind. Sie hat ihre Ausbildung dann auch im Tierheim begonnen, und als ich alt genug war, habe ich ein freiwilliges Praktikum bei ihr gemacht. Seitdem war ich Feuer und Flamme für diesen Job und den Tierschutz.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Anna-Lena Busch, 1. Vorsitzende des Deutscher Tierschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz, und ihr Vorgänger Andreas Lindig.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Anna-Lena Busch, 1. Vorsitzende des Deutscher Tierschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz, und ihr Vorgänger Andreas Lindig.

Sie haben nun die Nachfolge von Andreas Lindig angetreten, der jahrzehntelang Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz war und 2023 auch mit der Goldenen Ehrennadel für seine Verdienste im Tierschutz ausgezeichnet wurde. Somit treten Sie in große Fußstapfen, wenn Sie die Zuständigkeit für mehr als 40 Mitgliedsvereine übernehmen. Was reizt Sie besonders an diesem Amt?

Es wird schwer, ihn zu ersetzen und ich werde mein Bestes geben, seine großartige Arbeit auf meine Art und Weise fortzuführen. Zum Glück konnten wir Andreas als Ehrenmitglied für den Vorstand gewinnen und können immer noch auf ihn, seine Erfahrungen und Unterstützung zählen. Ich habe mich seit 15 Jahren für den Jugendtierschutz eingesetzt und möchte mich nun weiterentwickeln und auf anderen Ebenen etwas für die Tiere und die Mitgliedsvereine in unserem Landesverband bewirken. Ich weiß, dass ich im Jugendtierschutz hervorragend ersetzt werde und kann mich nun vollkommen auf die neue Aufgabe konzentrieren.

Wie hilft Ihnen Ihr bisheriger Werdegang für diese Position?

Ich kenne die Arbeit in Tierheimen als Mitarbeiterin und als Leiterin, die täglichen Herausforderungen von Tierschutzvereinen, den Spagat zwischen Berufsleben und Ehrenamt, die Strukturen des Deutschen Tierschutzbundes auf Landes- und Bundesebene. Ich habe somit Erfahrungen sowohl im praktischen Tierschutz als auch im Administrativen und der Personalführung. Und durch die ganzen Jahre meiner Arbeit kann ich auf ein großes Netzwerk von tollen Menschen zurückgreifen. Ich fühle mich daher sehr gut gewappnet für meine neue Herausforderung.

Was waren bislang die größten Hürden in Ihrer Laufbahn?

Durch einen schweren Arbeitsunfall mit einer Katze im Tierheim Mainz musste ich meinen Job als Tierheimleitung und in der Tierpflege allgemein aufgeben und mich komplett neu orientieren. Da mein gesamtes bisheriges Arbeitsleben aus Tierheim und Tierschutz bestand, war dieser Schritt der bisher schwerste in meinem Leben. Als zu dieser Zeit 28-jährige verheiratete kinderfreie Frau ist es extrem schwierig, einen Ausbildungsplatz zu bekommen beziehungsweise überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das war eine harte Zeit, die von vielen Ängsten auf vielen Ebenen begleitet wurde. Durch meine Familie habe ich aber neuen Halt gefunden. Mittlerweile habe ich es beruflich weit gebracht und arbeite als Abteilungsleiterin in Logistik und Disposition.

Welche Themen möchten Sie in Ihrem neuen Amt als erstes angehen und vor welchen Herausforderungen steht der Tierschutz in Rheinland-Pfalz aktuell?

Ein besonderes Anliegen ist die Implementierung einer Katzenschutzverordnung, da die Katzenschwemme im Frühjahr wieder stark zugelegt hat und die Tierheime und Tierschutzvereine teilweise mit Katzen überfüllt sind. Außerdem ist die finanzielle Beteiligung der Städte, Dörfer und Kommunen sowohl an den Kosten, die durch die Katzenschutzverordnung entstehen werden, als auch an der Kostenerstattung der Tierversorgung ein großes Thema. Die Tierheime und Tierschutzvereine sind keine Selbstverständlichkeit und keine Bittsteller. Sie erfüllen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft, und das muss endlich entsprechend finanziell anerkannt werden. Von warmen Worten wird kein Tier gesund und satt.

„Ich möchte es schaffen, dass ein verbessertes Wir-Gefühl entsteht.“

– Anna-Lena Busch

Welchen weiteren Zielen möchten Sie sich langfristig im Landesverband widmen?

Die gegenseitige Unterstützung und Kommunikation der einzelnen Tierheime und Tierschutzvereine kann noch verbessert werden. Es gibt bereits erste Kommunikationswege und Hilfen, aber die landesweite Vernetzung ist noch nicht gegeben. Auf viele Anfragen und Nachrichten zum Jugendtierschutz und anderen Themen erhalte ich bei einzelnen Tierheimen und Tierschutzvereinen keinerlei Reaktionen. Da möchte ich ansetzen, uns vernetzen und die Bedürfnisse verstehen. Ich möchte es schaffen, dass ein verbessertes Wir-Gefühl entsteht. Nur zusammen können wir noch mehr für den Tierschutz und die Tiere erreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.