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„Jeder Hund hat seine Eigenheiten und seine Geschichte“

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„Jeder Hund hat seine Eigenheiten und seine Geschichte“

Wenn Veronika Job das dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossene Tierheim Frankfurt besucht, freuen sich die dort lebenden Hunde. Denn sie wissen: Jetzt geht es zum Spazierengehen nach draußen. Als Gassigängerin ist Job eine wichtige Stütze für den Tierschutz. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen gesprochen.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Frau Job, was hat Sie ursprünglich dazu motiviert, mit Hunden aus dem Tierheim Frankfurt spazieren zu gehen?

Ich gehe seit circa fünf Jahren mit Tierheimhunden Gassi. Ehrenamtlich hatte ich schon lange im Naturschutz gearbeitet, nach zehn Jahren wollte ich aber etwas Anderes machen. Da ich keinen eigenen Hund halten konnte, bot sich das Gassigehen mit Hunden aus dem Tierheim an. Ich habe dafür einen Antrag im Tierheim Frankfurt ausgefüllt und einen Termin zum Probe-Gassigehen bekommen. Kurz danach kam der Corona-Lockdown. Als es nach dieser Unterbrechung mit einem Hygiene-Konzept wieder losging, war das ein schöner Tag für Mensch und Hund.

Gassigängerin Veronika Job geht seit etwa fünf Jahren regelmäßig mit den Hunden aus dem Tierheim Frankfurt spazieren, aktuell beispielsweise mit Hundedame Lola.

Gassigängerin Veronika Job geht seit etwa fünf Jahren regelmäßig mit den Hunden aus dem Tierheim Frankfurt spazieren, aktuell beispielsweise mit Hundedame Lola.

Haben Sie anfangs auch eine Hilfestellung von den Tierheimmitarbeiter*innen bekommen?

Die Ehrenamtlichen bekommen zu Beginn eine kurze Einweisung zu den Besonderheiten und zum jeweiligen Tierheimhund. Es wird auch darauf geachtet, dass der Hund zur Gassigängerin oder zum Gassigänger passt. Die Pfleger*innen sind grundsätzlich immer als Ansprechpartner*innen da.

Warum ist es so wichtig, dass es ehrenamtliche Helfer*innen gibt, die mit den Tierheimhunden rausgehen?

Es gibt immer einen traurigen Grund, warum ein Hund im Tierheim ist. Durch das Gassigehen kann das Tier wieder Vertrauen gewinnen und andere Menschen und Hunde kennenlernen als nur die, die im Tierheim sind. Außerdem erhöht es seine Vermittlungschancen, wenn ein Hund sozialisiert und umgänglich ist.

Wie oft gehen Sie mit den Tierheimhunden spazieren und was gefällt Ihnen daran?

Das ist sehr unterschiedlich, im Schnitt dreimal die Woche. Es gibt einen Plan, in dem wir Ehrenamtlichen uns online eintragen, je nachdem, wie wir Zeit haben. Generell gehe ich gerne spazieren und wandern, außerdem mag ich Tiere. Da passt das Gassigehen mit Tierheimhunden wunderbar. Auch bei schlechtem Wetter geht es raus in die Natur.

Gehen Sie immer dieselbe Strecke oder variiert das?

Ich habe meine Lieblingsstrecke, passe sie aber natürlich dem jeweiligen Hund an. Mit Hunden, die älter sind oder Gesundheitsprobleme haben, gehe ich kürzere Strecken. Auch wenn das Wetter schlecht ist, passe ich die Gassirunde an. Wenn ich einen neuen Hund bekomme, müssen wir immer erst ausprobieren, welche Strecke sich für ihn am besten eignet.

Gibt es bestimmte Hunde, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen sind?

Ja, da gab es einen Hund, der mir sehr ans Herz gewachsen war – Eddi, er war fast blind. Ich bin circa zwei Jahre mit ihm Gassi gegangen – es fühlte sich an, als sei er mein eigener Hund. Ein sehr schönes Erlebnis ist es auch, wenn man merkt, wie ein Hund sich im Laufe der Zeit positiv verändert. Vom ängstlichen Tier mit Maulkorb zu einem fröhlichen Hund, der dann nach Monaten endlich ohne den Maulkorb Gassi gehen darf.

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Wie geht es Ihnen, wenn Hunde, die Sie besonders mögen, vermittelt werden?

Es ist immer eine Freude, wenn ein Hund vermittelt wird, aber auch ein bisschen traurig. Bei Eddi war es sehr, sehr schwer für mich, weil ich ihn so lange begleiten durfte. Aber er hatte es verdient, endlich jemanden zu finden. Und ein neuer Hund ist auch für mich eine neue, spannende Herausforderung.

Haben Sie auch mit Hunden zu tun, die etwas schwieriger im Umgang sind? Wie gehen Sie auf diese Tiere zu?

Jeder Hund hat seine Eigenheiten und seine Geschichte, ich bin ja auch ein vollkommen fremder Mensch für das Tier. Ich gehe nie direkt auf einen Hund zu, sondern lasse ihm Zeit und warte, bis er auf mich zukommt. Manchmal braucht es ein paar Gassirunden, um einander kennenzulernen, damit ich weiß, wovor er Angst hat und was er mag.

Welche Tipps geben Sie Menschen, die ebenfalls ehrenamtlich mit Tierheimhunden Gassi gehen möchten?

Sich einfach trauen und bewerben. Die Tierheime sind voller Hunde und es gibt für jede*n das passende Tier zum Gassigehen, egal ob man nur am Wochenende oder wochentags Zeit hat. Nach Hundeerfahrung erkundigt sich das Tierheim zwar auch, dies ist aber zum Gassigehen keine Bedingung. Bestimmte Sachkunde ist nicht notwendig, ausgenommen bei Listenhunden. Versichert sind die Ehrenamtlichen während der Zeit des Gassigehens über das Tierheim, und eine Tetanusimpfung ist immer zu empfehlen.

Warum würden Sie Personen, die an einem Hund interessiert sind, immer raten, als erstes ins Tierheim zu gehen?

Wenn jemand ein Tier haben möchte, sollte immer das Tierheim die Anlaufstelle sein. Dort leben so viele wunderbare Hunde, die Trauriges erlebt haben, und das sollte für alle Tierliebhaber*innen Grund genug sein, zum Tierheim zu gehen – der passende Hund ist bestimmt dabei. Ich hatte bisher acht verschiedene Hunde zum Gassigehen, manche nur kurz, mache länger, und habe gemerkt, wie sie sich über die Zuwendung, die man ihnen entgegenbringt, freuen. Jeder dieser Hunde hat ein „Zuhause für immer“ verdient.

Vielen Dank für das Gespräch.


Gassigehen macht glücklich

Ehrenamtliche Hilfe ist in allen Tierheimen willkommen. Eine wichtige Stütze bilden dabei Freiwillige, die regelmäßig mit den zu vermittelnden Hunden spazieren gehen: Gassigänger*innen sind eine enorme Entlastung für die Mitarbeiter*innen und bieten den Hunden zugleich Abwechslung vom Tierheimalltag.

Für jedes Tierheim sind sie von unschätzbarem Wert. Bundesweit leisten ehrenamtliche Gassigänger*innen einen überaus wichtigen Beitrag im praktischen Tierschutz, indem sie regelmäßig die Tierheimhunde ausführen. Die Tierpfleger*innen selbst haben dafür in der Regel kaum Kapazitäten – sie arbeiten ohnehin schon am Limit, um all die Tiere in ihrer Obhut mit Futter zu versorgen, sie zu Tierkliniken zu bringen oder sie mit den nötigen Medikamenten zu behandeln, Gehege zu reinigen und Besucher*innen zu beraten. Zum Gassigehen bleibt oft keine Zeit. Doch zum Glück gibt es zahlreiche ehrenamtlich tätige Menschen, die diese Aufgabe liebend gern übernehmen und die Tierheime somit entlasten. Gassigänger* innen kommen regelmäßig vorbei, um mit den Hunden rauszugehen. So auch im Tierheim Frankfurt, das dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen ist: „Die Gassigänger*innen sind für uns extrem wichtig – zumal unser Tierheim seit Corona proppenvoll ist, wir durchschnittlich 130 bis 150 Hunde zeitgleich beherbergen und personell unterbesetzt sind“, berichtet Ursula Bräuer, 2. Vorsitzende des Tierschutzvereins Frankfurt am Main und Umgebung von 1841. „Manche unterstützen uns sogar schon seit 30 Jahren dreimal pro Woche, andere gehen jedes Wochenende mit unseren Tierheimhunden spazieren, obwohl sie selbst keine eigenen Tiere haben.“

Für die Tierheimhunde sind die Besuche der ehrenamtlichen Helfer*innen und die gemeinsamen Spaziergänge eine willkommene Abwechslung vom Tierheimalltag.

Für die Tierheimhunde sind die Besuche der ehrenamtlichen Helfer*innen und die gemeinsamen Spaziergänge eine willkommene Abwechslung vom Tierheimalltag.

Bereicherung für Mensch und Tier

Auch für die Tiere selbst sind die ehrenamtlichen Hundeausführer*innen eine riesige Hilfe. Schließlich braucht jeder Hund sowohl Bewegung in der Natur als auch Zuwendung. Für die tierischen Schützlinge sind die Besuche der ehrenamtlichen Helfer*innen und die gemeinsamen Spaziergänge somit eine willkommene Abwechslung vom Tierheimalltag. Auch wenn die Tierpfleger*innen mehrmals täglich nach ihren Schützlingen schauen und sie liebevoll versorgen, bleiben die Tiere viele Stunden allein in den Zwingern. Umso mehr freuen sie sich über die Zeit, die sie mit den Gassigänger*innen draußen verbringen, und über die Streicheleinheiten, die sie ihnen schenken. Je nachdem, was die Hunde in der Vergangenheit erlebt haben, brauchen sie Menschen mit mehr Erfahrung, die sie zum Beispiel erst an das Laufen an der Leine gewöhnen. Viele Gassigänger*innen genießen die Nähe zu den Hunden, können selbst aber kein eigenes Tier halten – zum Beispiel, weil es ihre Wohnsituation nicht ermöglicht. Andere sind sich noch nicht sicher, ob sie dauerhaft einen Hund adoptieren können, und möchten sich erst schrittweise mit den Tieren vertraut machen. Dann zeigt sich auch, ob die angehenden Halter*innen und der Wunschhund tatsächlich zusammenpassen und ein harmonisches Team bilden. „Generell achten wir immer darauf, welche Hunde zu welchen Gassigänger*innen passen“, schildert Bräuer. „Außerdem legen wir großen Wert auf Zuverlässigkeit.“ Zum Beispiel sei es wichtig, dass die ehrenamtlichen Helfer*innen gewisse Vorgaben, die ihnen das Tierheim-Team in einem Gruppencoaching vermittelt, einhalten und die Hunde nicht etwa von der Leine lassen.

„Die Gassigänger*innen sind für uns extrem wichtig.“

– Ursula Bräuer

„Ebenso ist es uns wichtig, dass die Gassigänger*innen regelmäßig, mindestens einmal pro Woche, mit den Hunden rausgehen können“, so Bräuer. Zurzeit sucht das Tierheim Frankfurt vor allem für die sogenannten Listenhunde – also wegen ihrer Rasse als besonders gefährlich eingestufte Tiere – erfahrenere Menschen mit einem Sachkundenachweis, die auch körperlich dazu in der Lage sind, größere Tiere zu führen. „Diese Hunde sind bei Weitem nicht alle aggressiv, aber für sie gelten einfach höhere Auflagen“, erläutert die Tierschützerin. Daher seien sie auch schwer zu vermitteln und leben teilweise schon seit zehn Jahren im Tierheim. „Für sie ist es umso wichtiger, dass sie Menschen haben, die regelmäßig mit ihnen rausgehen. So können diese Hunde auch mal allein im Mittelpunkt stehen und Fürsorge von einer Privatperson erleben.“ Wer einmal Tierheimhunde ausgeführt hat, ist meist begeistert – sowohl von dieser sinnstiftenden Aufgabe als auch von all den liebenswerten Tieren.

Aktiv werden!

  • Sie möchten auch gern mit Tierheimhunden spazieren gehen? Dann melden Sie sich einfach bei einem Tierheim in Ihrer Nähe und bieten Sie Ihre Unterstützung an. Voraussetzungen sind in der Regel genügend Zeit, um die Hunde regelmäßig zu besuchen, eine gültige Tetanus-Impfung und eine private Haftpflichtversicherung.Um auch sogenannte Listenhunde auszuführen, benötigen Ehrenamtliche zudem einen Sachkundenachweis. Manche Tierschutzvereine fordern darüber hinaus eine Mitgliedschaft. Weitere Informationen erhalten Sie bei den Mitgliedsvereinen des Deutschen Tierschutzbundes.
    tierschutzbund.de/tierheim-finder